Bereits 50 Länder haben Strategien entwickelt, um eine bioökonomische Wirtschaftsentwicklung zu fördern. Eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, welche Art von Bioökonomie zukunftsweisend ist, findet aber bislang nicht statt.
von Jenny Walther-Thoß, WWF
Derzeit bestehen zwei Wirtschaftsmodelle nebeneinander: Die dominante fossile Wirtschaft und die aufstrebende biobasierte Wirtschaft. Der Aufstieg einer neuen biobasierten Wirtschaft unterstreicht die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in Richtung Nachhaltigkeit, um die langfristigen Ziele der Gesellschaft und die sich abzeichnenden Herausforderungen zu erfüllen. Dazu gehört die Entkopplung des Wirtschaftswachstums von negativer Umweltbelastung, eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, die Verbesserung der Ernährungssicherheit und die Verringerung der Armut.
Inzwischen haben 50 Länder weltweit Strategien entwickelt, mit denen sie die Entwicklung der Bioökonomie fördern wollen. Fünfzehn dieser Länder (darunter die EU-Mitgliedsstaaten) haben in diesem Zuge sehr detaillierte Politikstrategien und auch Umsetzungskonzepte implementiert (1). Grundsätzlich beschreiben die meisten Bioökonomie-Strategien und beteiligte Stakeholder die Bioökonomie folgendermaßen: „Die Bioökonomie-Strategie zielt darauf ab, die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen zu verringern, die Produktion umzugestalten, eine nachhaltige Produktion erneuerbarer Ressourcen aus Land, Fischerei und Aquakultur und deren Umwandlung in Lebensmittel, Futtermittel, Fasern, biobasierte Produkte und Bioenergie zu fördern und gleichzeitig neue Arbeitsplätze und Industrien zu schaffen“ (2). Unterscheiden lassen sich die verschiedenen Bioökonomie-Strategien in stärker rohstoffbasierte Strategien (z.B. skandinavische Länder, afrikanische Staaten wie Südafrika) und mehr technologiefokussierte Strategien (z.B. EU und USA), die auf Hightech wie die Biotechnologien setzen.
In den Industrieländern wird die bioökonomische Strategieentwicklung oft durch eine entsprechende Forschungs- und Industrieförderung flankiert. Seit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals (SDGs) in 2015 hat die Bioökonomie-Diskussion auf der globalen Ebene stark zugenommen (Verknüpfung Biomasse und SDGs siehe Abbildung). Inzwischen sind sehr viele unterschiedliche Stakeholder beteiligt, darunter aber sowohl in den Industrieländern als auch in den Entwicklungsländern mit Bioökonomie-Strategien sehr wenige zivilgesellschaftliche Akteure. Daher ist die Diskussion über Bioökonomie, mögliche Entwicklungspfade zum Umbau der Wirtschaft, über positive und negative Effekte sowohl auf der europäischen als auch auf internationaler Ebene eine reine Fachexpert*innen-Diskussion. Sehr technisch dominiert, forschungsfixiert und damit leider oft in Fach-Silos unterwegs, fehlt die gesellschaftliche Komponente oft vollständig (3). Grundlegende Fragen werden weitgehend ausgeblendet: Welche Technologien wollen wir? Wieviel Natur wollen wir? Bringen Plastikmaterialien aus Kartoffeln, Kraftstoff aus Zucker oder Flugkerosin aus Algen Lösungsansätze für die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts – wie können in Zeiten des Klimawandels immer mehr Menschen von immer weniger Ressourcen mit Nahrung, Energie und Materialien versorgt werden? Oder birgt dieser Weg nicht neue Gefahren, wenn bereits heute Brotgetreide und Futtermittel, Energiepflanzen und Fasern mit Kulturlandschaften für den Erhalt der Biodiversität um Flächen, Wasser und Boden konkurrieren (4)?
Die EU hat bereits 2012 eine erste Bioökonomie-Strategie verabschiedet (5). Der europäische Ansatz zur Bioökonomie war sehr lange auf Technologie und Industrie fokussiert. Um der aufkommenden Kritik an einem „totalitären Ansatz“ entgegenzuwirken, wurde 2013 das erste Bioeconomy Stakeholder Panel zur Bioökonomie von DG Research ins Leben gerufen, welches dann bis 2015 tagte. Dieses Panel sollte eine informierte Diskussion über Bioökonomie ermöglichen und sowohl Sektoren als auch Stakeholdergruppen miteinander vernetzen (6). Allerdings bestand es ausschließlich aus Industrievertreter*innen, Wissenschaft und industrienahen Verbänden. Es gab keine zivilgesellschaftliche Vertretung, weder von sozialer noch von umweltpolitischer Seite (7). Die Fortführung des Panels (2016-2018) wurde dann nach deutlicher Kritik an der einseitigen Besetzung ausgeweitet und durch weitere Stakeholder wie z.B. Gewerkschaften, Umweltverbände, Kommunen und Regionen verstärkt.
Ein Ergebnis des Panels war das in 2018 verabschiedete Bioeconomy Manifesto (8). Dieses beschreibt aus Sicht der Teilnehmer*innen und Unterstützer*innen grundlegende Anforderungen an einen weiteren Ausbau der Brückenpfeiler für eine europäische Bioökonomie, auf denen Forschungs- und Finanzierungsprogramme stehen sollten, sowie Anregungen an Politik und Gesellschaft. Aus Sicht des WWF stehen im Manifesto einige der wichtigsten Grundsätze, die wir beachten müssen, um eine erfolgreiche und nachhaltige Bioökonomie-Entwicklung zu starten – wie die Achtung der Grenzen unseres Planeten. Da das Panel aber keine Ratgeberfunktion, kein Vorschlagsrecht für politische Agenden, Forschungsprogramme etc. hat, ist es in seiner Funktion auf eine rein repräsentative Wirkung beschränkt. Dies ist aus WWF-Sicht sehr bedauerlich, da im Manifesto ein guter Anfang für eine breite gesellschaftliche Diskussion um Bioökonomie gemacht wurde.
Durch den im Sommer 2019 vorgelegten Entwurf der neuen deutschen Bioökonomie-Strategie ist sehr deutlich geworden, wieviel Nachholbedarf auch in Deutschland noch herrscht, bis wir eine wirklich partizipative, breite gesellschaftliche Debatte darüber bekommen, welche Art von Bioökonomie zukunftsweisend ist. Allen Beteiligten sollte inzwischen klar sein, dass eine reine Substitution von fossilem durch biogenen Kohlenstoff nicht der richtige Weg sein kann.
(1) Bioeconomy Policy (Part III) Update Report of National Strategies around the World: A report from the German Bioeconomy Council: 2018
(2) Overview of political bioeconomy strategies
(3) Global Bioeconomy Summit 2018 – Conference Report
(4) Christiane Grefe (2016): Global Gardening
(5) European Union (2012): Innovating for sustainable growth. A Bioeconomy for Europe.
(6) The Bioeconomy Stakeholders Panel
(7) Lühmann, Malte (2019): Wessen Bioökonomie für Europa? Die Ausrichtung der EU-Bioökonomie nach ihrer Aktualisierung.
(8) European Bioeconomy Stakeholders Manifesto 2018.
Jenny Walther-Thoß ist Agrarwissenschaftlerin und Referentin für nachhaltige Biomasse und Standards beim WWF Deutschland.
von Jenny Walther-Thoß, WWF
Bereits 50 Länder haben Strategien entwickelt, um eine bioökonomische Wirtschaftsentwicklung zu fördern. Eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, welche Art von Bioökonomie zukunftsweisend ist, findet aber bislang nicht statt.
Derzeit bestehen zwei Wirtschaftsmodelle nebeneinander: Die dominante fossile Wirtschaft und die aufstrebende biobasierte Wirtschaft. Der Aufstieg einer neuen biobasierten Wirtschaft unterstreicht die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in Richtung Nachhaltigkeit, um die langfristigen Ziele der Gesellschaft und die sich abzeichnenden Herausforderungen zu erfüllen. Dazu gehört die Entkopplung des Wirtschaftswachstums von negativer Umweltbelastung, eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, die Verbesserung der Ernährungssicherheit und die Verringerung der Armut.
Inzwischen haben 50 Länder weltweit Strategien entwickelt, mit denen sie die Entwicklung der Bioökonomie fördern wollen. Fünfzehn dieser Länder (darunter die EU-Mitgliedsstaaten) haben in diesem Zuge sehr detaillierte Politikstrategien und auch Umsetzungskonzepte implementiert (1). Grundsätzlich beschreiben die meisten Bioökonomie-Strategien und beteiligte Stakeholder die Bioökonomie folgendermaßen: „Die Bioökonomie-Strategie zielt darauf ab, die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen zu verringern, die Produktion umzugestalten, eine nachhaltige Produktion erneuerbarer Ressourcen aus Land, Fischerei und Aquakultur und deren Umwandlung in Lebensmittel, Futtermittel, Fasern, biobasierte Produkte und Bioenergie zu fördern und gleichzeitig neue Arbeitsplätze und Industrien zu schaffen“ (2). Unterscheiden lassen sich die verschiedenen Bioökonomie-Strategien in stärker rohstoffbasierte Strategien (z.B. skandinavische Länder, afrikanische Staaten wie Südafrika) und mehr technologiefokussierte Strategien (z.B. EU und USA), die auf Hightech wie die Biotechnologien setzen.
In den Industrieländern wird die bioökonomische Strategieentwicklung oft durch eine entsprechende Forschungs- und Industrieförderung flankiert. Seit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals (SDGs) in 2015 hat die Bioökonomie-Diskussion auf der globalen Ebene stark zugenommen (Verknüpfung Biomasse und SDGs siehe Abbildung). Inzwischen sind sehr viele unterschiedliche Stakeholder beteiligt, darunter aber sowohl in den Industrieländern als auch in den Entwicklungsländern mit Bioökonomie-Strategien sehr wenige zivilgesellschaftliche Akteure. Daher ist die Diskussion über Bioökonomie, mögliche Entwicklungspfade zum Umbau der Wirtschaft, über positive und negative Effekte sowohl auf der europäischen als auch auf internationaler Ebene eine reine Fachexpert*innen-Diskussion. Sehr technisch dominiert, forschungsfixiert und damit leider oft in Fach-Silos unterwegs, fehlt die gesellschaftliche Komponente oft vollständig (3). Grundlegende Fragen werden weitgehend ausgeblendet: Welche Technologien wollen wir? Wieviel Natur wollen wir? Bringen Plastikmaterialien aus Kartoffeln, Kraftstoff aus Zucker oder Flugkerosin aus Algen Lösungsansätze für die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts – wie können in Zeiten des Klimawandels immer mehr Menschen von immer weniger Ressourcen mit Nahrung, Energie und Materialien versorgt werden? Oder birgt dieser Weg nicht neue Gefahren, wenn bereits heute Brotgetreide und Futtermittel, Energiepflanzen und Fasern mit Kulturlandschaften für den Erhalt der Biodiversität um Flächen, Wasser und Boden konkurrieren (4)?
Die EU hat bereits 2012 eine erste Bioökonomie-Strategie verabschiedet (5). Der europäische Ansatz zur Bioökonomie war sehr lange auf Technologie und Industrie fokussiert. Um der aufkommenden Kritik an einem „totalitären Ansatz“ entgegenzuwirken, wurde 2013 das erste Bioeconomy Stakeholder Panel zur Bioökonomie von DG Research ins Leben gerufen, welches dann bis 2015 tagte. Dieses Panel sollte eine informierte Diskussion über Bioökonomie ermöglichen und sowohl Sektoren als auch Stakeholdergruppen miteinander vernetzen (6). Allerdings bestand es ausschließlich aus Industrievertreter*innen, Wissenschaft und industrienahen Verbänden. Es gab keine zivilgesellschaftliche Vertretung, weder von sozialer noch von umweltpolitischer Seite (7). Die Fortführung des Panels (2016-2018) wurde dann nach deutlicher Kritik an der einseitigen Besetzung ausgeweitet und durch weitere Stakeholder wie z.B. Gewerkschaften, Umweltverbände, Kommunen und Regionen verstärkt.
Ein Ergebnis des Panels war das in 2018 verabschiedete Bioeconomy Manifesto (8). Dieses beschreibt aus Sicht der Teilnehmer*innen und Unterstützer*innen grundlegende Anforderungen an einen weiteren Ausbau der Brückenpfeiler für eine europäische Bioökonomie, auf denen Forschungs- und Finanzierungsprogramme stehen sollten, sowie Anregungen an Politik und Gesellschaft. Aus Sicht des WWF stehen im Manifesto einige der wichtigsten Grundsätze, die wir beachten müssen, um eine erfolgreiche und nachhaltige Bioökonomie-Entwicklung zu starten – wie die Achtung der Grenzen unseres Planeten. Da das Panel aber keine Ratgeberfunktion, kein Vorschlagsrecht für politische Agenden, Forschungsprogramme etc. hat, ist es in seiner Funktion auf eine rein repräsentative Wirkung beschränkt. Dies ist aus WWF-Sicht sehr bedauerlich, da im Manifesto ein guter Anfang für eine breite gesellschaftliche Diskussion um Bioökonomie gemacht wurde.
Durch den im Sommer 2019 vorgelegten Entwurf der neuen deutschen Bioökonomie-Strategie ist sehr deutlich geworden, wieviel Nachholbedarf auch in Deutschland noch herrscht, bis wir eine wirklich partizipative, breite gesellschaftliche Debatte darüber bekommen, welche Art von Bioökonomie zukunftsweisend ist. Allen Beteiligten sollte inzwischen klar sein, dass eine reine Substitution von fossilem durch biogenen Kohlenstoff nicht der richtige Weg sein kann.
(1) Bioeconomy Policy (Part III) Update Report of National Strategies around the World: A report from the German Bioeconomy Council: 2018
(2) Overview of political bioeconomy strategies
(3) Global Bioeconomy Summit 2018 – Conference Report
(4) Christiane Grefe (2016): Global Gardening
(5) European Union (2012): Innovating for sustainable growth. A Bioeconomy for Europe.
(6) The Bioeconomy Stakeholders Panel
(7) Lühmann, Malte (2019): Wessen Bioökonomie für Europa? Die Ausrichtung der EU-Bioökonomie nach ihrer Aktualisierung.
(8) European Bioeconomy Stakeholders Manifesto 2018.
Jenny Walther-Thoß ist Agrarwissenschaftlerin und Referentin für nachhaltige Biomasse und Standards beim WWF Deutschland.
© denkhausbremen e. V.