Global beträgt der Anteil von Energie aus Biomasse an den Erneuerbaren Energien 50%, in Deutschland sogar 60,2%. Die geplante Steigerung der Energieerzeugung aus Biomasse im Zuge einer Bioökonomie steht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion und erhöht den Druck auf Ökosysteme und deren Bewohner*innen.
von Thomas Fatheuer, FDCL
Bioökonomie soll eine Antwort geben auf drei grundlegende Herausforderungen für die Menschheit: Klimawandel, Ernährungssicherheit, Ressourcenverknappung. Um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen ist der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Erdgas notwendig. Dies ist zweifelsohne eine gigantische Aufgabe. In der deutschen Energiewende richtet sich das Augenmerk auf den Ausbau von Wind- und Solarenergie. Dabei wird die Bedeutung von Energie aus Biomasse oft übersehen. Aber 60,2% der „erneuerbaren“ Energie in Deutschland stammen aus Biomasse, auf die Windkraft entfallen lediglich 22%. Dieser hohe Anteil liegt an der überragenden Stellung von Biomasse zur Deckung des Wärmebedarfs. Ihr Anteil an den erneuerbaren Energien beträgt hier 83%.
Auch global sieht es nicht anders aus. So konstatiert die Internationale Energieagentur IEA: „Moderne Bioenergie ist der übersehene Gigant im Bereich der erneuerbaren Energien. Ihr Anteil an dem globalen Verbrauch erneuerbarer Energie liegt bei 50%, mit anderen Worten mehr als Wasser, Wind, Sonne und andere Erneuerbare zusammen. Wir erwarten, dass Bioenergie das Feld weiterhin anführen wird und riesige Perspektiven für weiteres Wachstum aufweist“ (1).
Bei dem Ausstieg aus dem fossilen Energiemodell spielt also Energie aus Biomasse eine gewaltige Rolle. Diese bildet ein zentrales Handlungsfeld für Bioökonomie: Hier existieren Produkte, Nachfrage und Märkte. Neben der traditionellen Nutzung von Biomasse als Brennholz lassen sich zwei Stränge ausmachen: Die Herstellung von Agrartreibstoffen (vorwiegend aus Mais, Zuckerohr und Ölpalmen) und die Verbrennung von Holz (meistens in Form von Pellets). In verschiedenen europäischen Ländern wie England, Frankreich und Holland werden zur Zeit Kohlekraftwerk auf Holzfeuerung umgestellt. Dabei gilt die Verfeuerung von Holz fatalerweise als klimaneutral.
Energie aus Biomasse ist in den letzten Jahren ein viel diskutiertes und höchst umstrittenes Thema geworden. Im Kontext der Teller versus Tank Debatte ist die Frage von Flächenkonkurrenz in das Zentrum internationaler Diskussionen gerückt.
In Deutschland werden 2,35 Millionen Hektar für den Anbau von Energiepflanzen genutzt, das sind immerhin 16% der landwirtschaftlich genutzten Fläche und kommt damit nahe an die 22% heran, die für den Anbau an Lebensmitteln genutzt werden. Der größte Teil von Energie aus Biomasse wird aber aus Holz gewonnen.
Deshalb bleibt die Frage nach dem Flächenbedarf und Nutzungskonkurrenzen zentral. Die neueren Bioökonomie-Strategien erkennen dies verbal an, entwickeln aber keine konkreten Vorschläge, wie die Flächenkonkurrenz vermieden werden kann. Sie setzen auf zwei problematische Lösungen: Die Erhöhung der Flächenproduktivität und die verstärkte Nutzung der gesamten Biomasse wie Stroh und bei Getreide für die Erzeugung von Agrotreibstoffen. Dies ist auch eine Reaktion auf die Teller versus Tank Debatte. Aber das große Versprechen einer 2. Generation von Agrartreibstoffen ist bisher nicht eingelöst. Deren Produktion befindet sich immer noch im Versuchsstadium. Und auch sie würden das Dilemma der Flächenkonkurrenz nicht lösen: Auch die 2. Generation würde auf Biomasse und Pflanzen beruhen, die zwar nicht essbar sind, die aber natürlich auch auf Land wachsen. Und es geht ja nicht nur um die Konkurrenz zum Nahrungsanbau: Die Nutzung von Biomasse ist auch durch die Aufgabe der Bewahrung der Biodiversität begrenzt. Schon jetzt breiten sich in vielen Teile der Welt Baummonokulturen wie z.B. Eukalyptus aus, die artenreiche Ökosysteme und deren Bewohner*innen verdrängen.
Ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit, den Einsatz von Biomasse für die Erzeugung von Energie einzuschränken, bietet der deutsche Wald. In der Waldstrategie 2020 der Bundesregierung ist das Ziel formuliert, nicht mehr als 100 Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr einzuschlagen (gegenwärtig etwa 60 - 70 Millionen Kubikmeter pro Jahr). In seiner Waldvision für ökologische Waldwirtschaft berechnet Greenpeace einen Einschlag von maximal 61,8 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Durch diese Bewirtschaftung würde die Speicherung von CO2 und die Biomasse des Waldes erheblich wachsen. Artenreiche und resiliente Wälder lassen sich nicht auf eine höhere Produktion von Biomasse trimmen.
(1) International Energy Agency (2007) Potential Contribution of Bioenergy to the Worlds Future Energy
zum Weiterlesen:
Ein ausführliche wissenschaftliche Kritik an der Klimaneutralität der Holzverbrennung: Norton, Michael et al. (2019)
Ein guter Überblick über die Frage von Land und Biomasse: Umweltbundesamt (o.J.): Globale Landflächen und Biomasse
www.fdcl.org
Dr. Thomas Fatheuer ist Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter des Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.
von Thomas Fatheuer, FDCL
Global beträgt der Anteil von Energie aus Biomasse an den Erneuerbaren Energien 50%, in Deutschland sogar 60,2%. Die geplante Steigerung der Energieerzeugung aus Biomasse im Zuge einer Bioökonomie steht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion und erhöht den Druck auf Ökosysteme und deren Bewohner*innen.
Bioökonomie soll eine Antwort geben auf drei grundlegende Herausforderungen für die Menschheit: Klimawandel, Ernährungssicherheit, Ressourcenverknappung. Um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen ist der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Erdgas notwendig. Dies ist zweifelsohne eine gigantische Aufgabe. In der deutschen Energiewende richtet sich das Augenmerk auf den Ausbau von Wind- und Solarenergie. Dabei wird die Bedeutung von Energie aus Biomasse oft übersehen. Aber 60,2% der „erneuerbaren“ Energie in Deutschland stammen aus Biomasse, auf die Windkraft entfallen lediglich 22%. Dieser hohe Anteil liegt an der überragenden Stellung von Biomasse zur Deckung des Wärmebedarfs. Ihr Anteil an den erneuerbaren Energien beträgt hier 83%.
Auch global sieht es nicht anders aus. So konstatiert die Internationale Energieagentur IEA: „Moderne Bioenergie ist der übersehene Gigant im Bereich der erneuerbaren Energien. Ihr Anteil an dem globalen Verbrauch erneuerbarer Energie liegt bei 50%, mit anderen Worten mehr als Wasser, Wind, Sonne und andere Erneuerbare zusammen. Wir erwarten, dass Bioenergie das Feld weiterhin anführen wird und riesige Perspektiven für weiteres Wachstum aufweist“ (1).
Bei dem Ausstieg aus dem fossilen Energiemodell spielt also Energie aus Biomasse eine gewaltige Rolle. Diese bildet ein zentrales Handlungsfeld für Bioökonomie: Hier existieren Produkte, Nachfrage und Märkte. Neben der traditionellen Nutzung von Biomasse als Brennholz lassen sich zwei Stränge ausmachen: Die Herstellung von Agrartreibstoffen (vorwiegend aus Mais, Zuckerohr und Ölpalmen) und die Verbrennung von Holz (meistens in Form von Pellets). In verschiedenen europäischen Ländern wie England, Frankreich und Holland werden zur Zeit Kohlekraftwerk auf Holzfeuerung umgestellt. Dabei gilt die Verfeuerung von Holz fatalerweise als klimaneutral.
Energie aus Biomasse ist in den letzten Jahren ein viel diskutiertes und höchst umstrittenes Thema geworden. Im Kontext der Teller versus Tank Debatte ist die Frage von Flächenkonkurrenz in das Zentrum internationaler Diskussionen gerückt.
In Deutschland werden 2,35 Millionen Hektar für den Anbau von Energiepflanzen genutzt, das sind immerhin 16% der landwirtschaftlich genutzten Fläche und kommt damit nahe an die 22% heran, die für den Anbau an Lebensmitteln genutzt werden. Der größte Teil von Energie aus Biomasse wird aber aus Holz gewonnen.
Deshalb bleibt die Frage nach dem Flächenbedarf und Nutzungskonkurrenzen zentral. Die neueren Bioökonomie-Strategien erkennen dies verbal an, entwickeln aber keine konkreten Vorschläge, wie die Flächenkonkurrenz vermieden werden kann. Sie setzen auf zwei problematische Lösungen: Die Erhöhung der Flächenproduktivität und die verstärkte Nutzung der gesamten Biomasse wie Stroh und bei Getreide für die Erzeugung von Agrotreibstoffen. Dies ist auch eine Reaktion auf die Teller versus Tank Debatte. Aber das große Versprechen einer 2. Generation von Agrartreibstoffen ist bisher nicht eingelöst. Deren Produktion befindet sich immer noch im Versuchsstadium. Und auch sie würden das Dilemma der Flächenkonkurrenz nicht lösen: Auch die 2. Generation würde auf Biomasse und Pflanzen beruhen, die zwar nicht essbar sind, die aber natürlich auch auf Land wachsen. Und es geht ja nicht nur um die Konkurrenz zum Nahrungsanbau: Die Nutzung von Biomasse ist auch durch die Aufgabe der Bewahrung der Biodiversität begrenzt. Schon jetzt breiten sich in vielen Teile der Welt Baummonokulturen wie z.B. Eukalyptus aus, die artenreiche Ökosysteme und deren Bewohner*innen verdrängen.
Ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit, den Einsatz von Biomasse für die Erzeugung von Energie einzuschränken, bietet der deutsche Wald. In der Waldstrategie 2020 der Bundesregierung ist das Ziel formuliert, nicht mehr als 100 Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr einzuschlagen (gegenwärtig etwa 60 - 70 Millionen Kubikmeter pro Jahr). In seiner Waldvision für ökologische Waldwirtschaft berechnet Greenpeace einen Einschlag von maximal 61,8 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Durch diese Bewirtschaftung würde die Speicherung von CO2 und die Biomasse des Waldes erheblich wachsen. Artenreiche und resiliente Wälder lassen sich nicht auf eine höhere Produktion von Biomasse trimmen.
(1) International Energy Agency (2007) Potential Contribution of Bioenergy to the Worlds Future Energy
zum Weiterlesen:
Ein ausführliche wissenschaftliche Kritik an der Klimaneutralität der Holzverbrennung: Norton, Michael et al. (2019)
Ein guter Überblick über die Frage von Land und Biomasse: Umweltbundesamt (o.J.): Globale Landflächen und Biomasse
www.fdcl.org
Dr. Thomas Fatheuer ist Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter des Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.
© denkhausbremen e. V.